Der Atomkraftgegner als »Gefährder«

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Nicht nur die Castorbehälter, auch ihre Gegner werden bestens überwacht
Von Reimar Paul

Die Polizei speichert massenhaft die Daten von Atomkraftgegnern. Auf die »Gefährderdateien« haben Behörden mittlerweile europaweit Zugriff.
Martin Donat will nicht, dass seine persönlichen Daten von der Polizei gespeichert werden. Der Atomkraftgegner und Kreistagsabgeordnete aus Lüchow-Dannenberg erhob jetzt Klage vor dem Verwaltungsgericht: Er will erreichen, dass die Feststellung seiner Personalien während eines umstrittenen Polizeikessels beim Castortransport nach Gorleben im November 2006 vom Gericht für rechtswidrig erklärt und die Daten gelöscht werden. Die Polizei hatte die Maßnahme mit der Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen Nötigung durch eine Treckerblockade begründet.

Nach Ansicht der Hamburger Rechtsanwältin Ulrike Donat, die seit Jahren Atomkraftgegner aus dem Wendland in Gerichtsverfahren vertritt, hat die Polizei im Nachhinein den Zweck der Datenspeicherung verändert. In mehreren polizeilichen Dateien - im Auskunftssystem der Polizei Niedersachsen NIVADIS und in der Staatschutzdatei APIS - werde Martin Donat inzwischen als sogenannter »Gefährder« geführt. Beide Dateien sind mit allen Polizeistellen des Bundes und der Länder vernetzt. BKA, Landeskriminalämter und weitere Polizeibehörden können diese Daten abrufen.

Seit dem 1. Januar werden Daten von »Gefährdern« außerdem europaweit übermittelt. »Niemand kann dann mehr kontrollieren, wer welche zu Recht oder zu Unrecht über ihn gespeicherten Daten verarbeitet«, beschreibt Ulrike Donat das Ausmaß der Datensammlung.

Dass die Polizei massenhaft Daten von Atomkraftgegnern speichert, ist nicht neu. Bereits Mitte 1985 wurde bekannt, dass mehr als 2000 Einwohner aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg in einem Spurendokumentationssystem (SPUDOK) des Niedersächsischen Landeskriminalamtes erfasst waren.

Beim Datensammeln gehen die Beamten teilweise auch ungewöhnliche Wege. Nach einer Anti-Castor-Demo im Wendland vor zweieinhalb Jahren klaubten Polizisten Zigarettenkippen der Kundgebungsteilnehmer auf. Der Republikanische Anwälteverein sah darin eine neue Stufe rechtswidrigen Polizeihandelns gegen Castor-Gegner. Ziel sei offenbar der Aufbau einer »illegalen Gendatei«.

Gespitzelt wurde und wird indes nicht nur im Wendland. Vor vier Jahren verfolgten Beamte des niedersächsischen Landeskriminalamtes den Göttinger Atomgegner Daniel H. über Wochen auf Schritt und Tritt. Am Auto eines Bekannten brachten sie einen Peilsender an. Die Polizisten hörten mehr als 80 Telefonate ab, filmten, überwachten Kneipen- und private Kontakte und verfolgten H. sogar bis auf das Uni-Klo.

Zur Begründung hieß es seitens der Polizei, H. habe als Mitglied des Göttinger Antiatomplenums zu Blockaden gegen den Atommülltransport aufgerufen. Die Gestaltung eines Plakates, das zu einer Protestparty einlud, wurde dem Studenten ebenfalls zugeschrieben. Das Göttinger Verwaltungsgericht wertete die Polizeimaßnahmen vergangenen Herbst als rechtswidrig. Nach einem Erörterungstermin hob die Göttinger Polizeidirektion ihre Anordnung zur Observation des heute 28-Jährigen auf. Gleichzeitig sicherte die Polizei zu, die bei der Überwachung gesammelten Daten »physikalisch zu löschen und zu vernichten«.

Vergangene Woche wandte sich Herbert W. vom Aktionsbündnis Castor-Widerstand Neckarwestheim an die Öffentlichkeit. Er hatte erfahren, dass er bei der Polizeidirektion Ludwigsburg als »Leiter« des Aktionsbündnisses geführt wird und deshalb für die Anmeldung einer Versammlung zu sorgen habe, die vier Tage später stattfinden sollte. W. sieht sich kriminalisiert, weil seine Daten offenbar »in der politischen Straftäterdatei« registriert seien. Das Büro des baden-württembergischen Landesdatenschutzbeauftragten geht davon aus, dass es sich dabei um die »Arbeitsdatei politisch motivierte Kriminalität« handelt. Sie wird vom Staatsschutz beim Landeskriminalamt (LKA) geführt, erfasst die Daten von rund 29 000 Personen und wurde vom Datenschutzbeauftragten Peter Zimmermann mehrfach wegen »grundsätzlicher datenschutzrechtlicher Mängel« kritisiert.

ND 1.2.08
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